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FachzeitschriftenSpectrum Urologie

UNTERSCHÄTZTE UROGENITALE DERMATOSEN

By 22. August 2021Oktober 17th, 2024No Comments
Artikel "Unterschätzte urigenitale Dermatosen" Seite 1 in Magazin Spectrum Urologie
Artikel "Unterschätzte urigenitale Dermatosen" Seite 2 in Magazin Spectrum Urologie
PANORAMA
  • Bei anogenitalem Juckreiz, rezidivierenden Infektionen und klinischen Merkmalen sollte an Lichen sclerosus und planus gedacht werden.
  • Beratung betroffener Patienten bei sexuellen Funktionsstörungen.
  • Eine frühe und konsequente Behandlung kann Komplikationen wie Vernarbungen und das Risiko einer Karzinomentwicklung verringern.
Lichen sclerosus und Lichen planus – Unterschätzte urogenitale Dermatosen

Lichen sclerosus und Lichen planus sind chronische, rezidivierende, in Schüben verlaufende, durch Lymphozyten vermittelte Haut- und Schleimhauterkrankungen der äußeren Genitale, die Männer und Frauen (1:3) aller Altersgruppen betreffen und die bei adäquater, frühzeitiger Behandlung in eine langandauernde Remission gehen. Es handelt sich um oft unterschätzte Erkrankungen mit zahlreichen Komorbiditäten und unbekannter Prävalenz, mit einem bis zu 5%igen Risiko einer malignen Entartung. Patienten mit Lichen sclerosus und Lichen planus leiden vermehrt an systemischen Autoimmunerkrankungen sowie an Superinfektionen (bakteriell, Mykosen, Herpes-Simplex-Virus [HSV] Typ 1 und 2). Diese Komorbiditäten werden aber häufig übersehen bzw. ihre Auswirkungen auf Lebensqualität und Sexualleben vernachlässigt.

Epidemiologie

Aufgrund fehlender oder später Diagnose bestehen hohe Dunkelziffer und eine relativ unbekannte Prävalenz, v.a. bei Männern. Nach Goldstein 2005 sind 0,1-3% Kinder und ältere Frauen betroffen. Die Inzidenz zeigt ein gehäuftes Auftreten bei Männern zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr, bei präpubertären Jungen und Mädchen sowie bei Frauen in der Peri-/Postmenopause. Frauen sind bis zu achtmal häufiger betroffen als Männer.

Ätiologie

Die Ursachen sind relativ unbekannt, generell werden lichenodie Dermatosen als lokal reaktive Immunregulation verstanden. Ausgelöst wird diese durch eine überschießende Reaktion des Immunsystems. Die Anzahl der Lymphozyten im Gewebe und die Zytokinsekretion sind für die Gewebszerrstörung und die klinischen Manifestationen verantwortlich.

Es finden sich erhöhte Werte verschiedener Botenstoffe in den entzündeten Haut- und Schleimhautläsionen.

  1. Einer dieser Botenstoffe ist das Interleukin-17A (IL-17A). Dieser wird vom Körper selbst produziert. Das Immunsystem schützt IL-17A zur Abwehr fremder Stoffe (z.B. Viren oder Bakterien) aus und fordert Entzündungen im Körper. Ist das Immunsystem überaktiv und produziert zu viel IL-17A, kommt es zu lokalen Haut- und Schleimhautentzündungen.
  2. Patienten mit einem „Histokompatibilitätsantigen HLA III“, DR 7, 8, 9 weisen eine Prädisposition zu lichenode Dermatosen auf.
  3. Hormonelle Risikofaktoren, Trauma und Infektionen können ebenso Auslöser sein.
  4. Eine positive Familienanamnese wird bei bis zu 12% der betroffenen Patienten berichtet.
Komorbiditäten

Viele Patienten weisen eine erhöhte Assoziation sowohl mit systemischen Autoimmunerkrankungen als auch mit Autoimmunerkrankungen mit organ- und krankheitsspezifischen Autoantikörpern auf. Am häufigsten kommen Hashimoto-Thyreoiditis, Autoimmungastritis, Lupus erythematodes, „Alopecia areata und perniziöse Anämie vor. Autoimmunerkrankungen ohne systemisch nachweisbare antinukleäre Antikörper sind Psoriasis und Neurodermitis.

Pathophysiologie und Genetik

Pathophysiologisch liegen eine autoantikörpervermittelte Inflammation in Bereich der Dermis, insbesondere der Basalmembran, sowie Hyaliniserung des dermalen Kollagens und Aufhebung der Reteleisten zugrunde. Histopathologisch zeigen sich eine unifokal oder multifokal minimal bis stark ausgeprägte subtile Sklerose und stellenweise ektatische sklerosierte Blutgefäße wie bei einer fokalen Vaskulitis. Ebenfalls zeigt sich ein T-Lymphozyten Infiltrat, in dem in bis zu 75% der Fälle „monoklonale IgG-Autoantikörper“ gegen das „extrazelluläre Matrix-Protein“ (ECM1) nachweisbar sind. Auf genetischer Ebene kann eine Überexpression des Tumorsuppressors p53 nachgewiesen werden. Damit besteht ein etwa 5-7% erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Penis- oder Vulvakarzinoms.