Mich würde eine zusammenfassende Darstellung des Problemkreises „sexuelle Dysfunktion“ interessieren. Vor allem aber die Bedeutung von Autoimmunerkrankungen bei sexueller Funktionsstörung bei Frauen.
Die Vielfalt an Ursachen für eine sexuelle Funktionsstörung erfordert eine genaue Sexualanamnese. In der Therapie stehen neben medikamentösen Optionen auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen und operative Techniken zur Wahl. Grundsätzlich sind anatomische Fehlbildungen von funktionellen Störungen zu unterscheiden. Neben hormonellen Dysregulationen können Veränderungen im Stoffwechsel (Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselkrankheiten etc.) eine sexuelle Dysfunktion verursachen. Bei Autoimmunerkrankungen der äußeren Genitalien kommt es fast immer zu einer sexuellen Dysfunktion:
- Lichen planus,
- Lichen sclerosus,
- Vulvodynie
Psoriasis Patienten mit koronaren Mehrgefäßerkrankungen leiden zu über 60% an sexuellen Funktionsstörungen. Die klassischen Symptome:
- Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen
- Erektile Dysfunktion (Erektionsstörungen bei Männern)
- Ejaculatio preacox (vorzeitiger Samenerguss)
- Lubrikationsstörung bei Frauen
- Orgasmusstörungen
- Dyspareunie mit oder ohne organischen Ursachen
- Vaginismus mit oder ohne organische Ursache
- Sexuelle Aversion: Eine tiefere innere Abneigung gegen sexuelle Betätigung
- Gesteigertes Verlangen, z.B. bis zu mehrere Male täglich
Die Inzidenz behandlungsbedürftiger sexueller Funktionsstörungen liegt bei rund 20% mit einer altersabhängigen Zunahme bis zu 70% bei über 70-Jährigen. Auch Orgasmus- und Ejakulationsstörungen zeigen eine deutliche Zunahme mit fortschreitendem Alter. Störungen der kohabitatationsfähigen Erektion sind manchmal Folge, oft aber auch Ursache einer psychogenen Komponente. Trotzdem sollte grundsätzlich immer auch an eine organische Ursache gedacht werden! Wichtig ist die Berücksichtigung der Möglichkeit einer Medikamentennebenwirkung. Folgende Präparate kommen relativ häufig als Auslöser in Frage:
- Nicht-kardioselektive Betablocker
- Fibrate und Thiazide
- Digitalis und Antiarrhythmika
- Psychopharmaka, vor allem trizyklische Antidepressiva
- SSRI und Sedativa, insbesondere durch die zentrale Hemmung funktionell relevanter Zentren.
Nicht zu vergessen sind allerdings Nikotinabusus und übermäßiger Alkoholkonsum sowie neurologische Erkrankungen, Operationen im Unterbauch, große Gefäßeingriffe, Traumata und Bestrahlungen. Eine spezielle Problemstellung ist die sexuelle Funktionsstörung bei Frauen. Es handelt sich dabei um ein komplexes und oft nur unvollständig verstandenes Beschwerdesyndrom, dessen multimodale Behandlungskonzepte meistens ebenso kompliziert wie langwierig sind.
Häufigste Ursachen:
- hormonelle Dysregulation
- Krankheitsbilder, welche durch eine Mastzellaktivierung charakterisiert sind:
- Chronisch rezidivierender Lichen planus und Lichen sclerosus
- Vestibulodynie, vulväres Vestibulitissyndrom (Vulvodynie)
Viele Frauen fühlen sich in Bezug auf ihre Beschwerden und auf ihre Symptome nicht verstanden und alleine gelassen. Gerade der Hausarzt hat hier eine besondere Aufgabe zu bewältigen.
Diagnostik:
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- Abklärung einer organisch bedingten Ursache
- Labor: NBZ, HBA1c, Testosteron, LH, FSH, Östrogen und Sexualhormon bindendes Globulin (SHBG)
- Bei Autoimmunerkrankungen ist der Nachweis einer erhöhten Anzahl von Mastzellen und aktivierten Mastzellen (Vulvabiopsie bzw. Biopsie der Glans penis) relevant.
- Sexualanamnese. Ich rate zu speziellen Fragenbögen. Sie sind ein einfaches Konzept zur Basisevaluierung aber auch zur Messung des Therapieerfolges. Die Ursache der sexuellen Funktionsstörung kann jedoch durch diese Fragenbögen alleine nicht erörtert werden. Ein zusätzliches Gespräch mit dem Patienten ist natürlich unverzichtbar.
Zur Therapie:
- Lifestyle-Modifi kation zeigt eine Verbesserung der Funktionsstörung nur im Zusammenhang mit metabolischen und kardiovaskulären Komorbiditäten.
- Unverzichtbarer Teil der Behandlung ist klarerweise die optimale Einstellung einer Hypertonie oder von Diabetes mellitus.
- Testosteron-, bzw. Östrogenmangel ist therapiebar und somit auch die dadurch hervorgerufene Sexualstörung. Vorsicht geboten ist bei der Gabe von Testosteron bzw. Östrogen bei Patienten mit Verdacht auf Mamma-, bzw. Prostatakarzinom bzw. bei Hinweisen in der Familienanamnese
- Psychosexuelle Therapien können bei psychogenen Formen sehr erfolgreich sein.
- Bei Autoimmunerkrankungen lindert eine Reduktion/Stabilisierung der Mastzellen (systemisch oder lokal) die Symptome ebenso wie die Behandlung der Begleit- und Grunderkrankungen.
Sexuelle Funktionsstörungen sind für Patienten und Ärzte eine Herausforderung. Multimodale Therapiekonzepte führen zu guten Erfolgen. Leider aber werden nicht immer alle diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft.