Das Blasenschmerzsyndrom/die interstitielle Zystitis (BPS/IC) ist eine chronische rezidivierende Blasenerkrankung mit unklarer Ätiologie. Die Patienten leiden an Symptomen, die mit anderen Krankheiten überlappen. Sie sind dadurch in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig, jedoch ist eine vollständige Heilung eine Herausforderung und nur schwer zu erreichen.
Das BPS ist eine Übergangsform von chronischer Blasenentzündung zur IC. Symptome und Prognosen sind in diesem Stadium häufig ähnlich. 90 % der Betroffenen sind Frauen. Die Prävalenz beträgt 150–230/100.000, die jährliche Inzidenz liegt bei 10–16/100.000. Die Ätiologie ist leider bis heute noch nicht genau geklärt.
Symptomatik
Im Vordergrund stehen chronische Schmerzen und irritative Reizsymptome wie Pollakisurie, imperativer Harndrang und Nykturie. Die Schmerzen werden meist lokalisiert: suprapubisch, pelvin, urethral, vaginal oder perineal. Typisch ist die Besserung der Schmerzen nach Miktion. Die chronische Symptomatik führt zu einer erheblichen Minderung der Lebensqualität.
Pathophysiologie
Die Auslöser für die Entstehung einer BPS/ IC sind multifaktoriell. Rezidivierende, therapeutisch nicht ausreichend beherrschbare Infektionen, genetische, endokrinologische, lymphatische oder neurogene Ursachen können zur Entstehung einer BPS/IC führen. Eine wesentliche Rolle spielen allerdings Autoimmunprozesse.
Geschädigter GAG-Layer: Das Urothel ist von polyanionischen Molekülen beschichtet, die überwiegend aus Glukosaminoglykanen bestehen (GAG – u. a. Chondroitin-, Derma- tan-, Heparansulfat, Hyaluronsäure), einer Klasse von Aminozuckern, die eine undurchdringliche und neutralisierende Schutzbarriere gegen die im Urin anwesenden toxischen und irritierenden Substanzen bilden und deren Aufnahme auf systemischem Niveau vermeiden. Verschiedene Schädigungsmechanismen wie bakterielle Zystitis, aber auch Chemo- oder Radiotherapie schädigen die GAG-Schicht und führen zur Entwick lung einer IC.
Das Urothel steht über sensorische Nerven- enden in Verbindung mit der suburothelialen Schicht, die aus Bindegewebe, Zellen des Immunsystems, Blutgefäßen und interstitiellen Zellen besteht und eine Art dynamisches sensorisches Organ bildet, das zur Funktion der Blase beiträgt.
Interstitielle Zellen wirken als funktionelle Verbindung zwischen dem Urothel, afferenten Nervenfasern und dem Detrusor. Das Urothel verwendet verschiedene Signalwege wie Acetylcholin, ATP, Adenosin und NO, um auf physikalische und chemische Stimuli zu reagieren.
Einige Schädigungsmechanismen führen zu einer progredienten Endarteriitis, die wiederum Gewebshypoxie, Fibrose und damit eine verminderte Blasenkapazität und hämorrhagische Zystitis auslöst. Verstärkte Expression von P2X3- und NK1-Rezeptoren, urotheliales NO und die Aktivität des Nerve Growth Factor (NGF) spielen bei der Entstehung dieser Mechanismen eine große Rolle.
Diagnosestellung
Andere Krankheiten (z. B. bakterielle Harnwegsinfekte) müssen ausgeschlossen werden.
Zystoskopie: Typisch sind petechiale bis erhebliche Schleimhautblutungen nach zystoskopischer Auffüllung der Blase („Glomerulationen“).
Durch eine Biopsie der Blasenwand erfolgt der Nachweis entzündlicher lymphozytärer und leukozytärer Infiltrate mit Eosinophilen, Plasmazellen und Mastzellen. Ein Gehalt von > 28 Mastzellen/mm2 Detrusor wird als pathognomonisch angesehen. In der Blasenwandung findet sich eine vermehrte Kollagendeposition zwischen und auch inner halb der Muskelbündel.
Zystomanometrisch ist entweder eine sensorische Urge (hypersensitive Blase) oder eine erniedrigte Compliance (hyperbarer Detrusor) nachzuweisen.
Therapieoptionen
Es gibt eine Vielzahl an konservative Therapieoptionen, welche die IC zu einer behandelbaren Erkrankung machen. In chronisch rezidivierenden Fällen kann auch eine operative Therapie in Erwägung gezogen werden.
Diverse Pharmaka wie Antimuskarinika, trizyklische Antidepressiva, Analgetika, Antihistaminika, Antispasmodika, Kalziumantagonisten, Prostaglandininhibitoren, das Immunosuppressivum Azathioprin und Östrogene stehen zur medika mentösen Therapie zur Auswahl.
Eine intravesikale Therapie erfolgt mit Chondroitinsulfat oder/plus Natriumhyaluronat, DMSO (Dimethylsulfoxid), BCG (Bacillus Calmette-Guérin) oder Heparin.
Desensibilisierung von Schmerzafferenzen (C-Fasern) durch Überreizung der Vanilloidrezeptoren
Resiniferatoxin bindet an Vanilloidrezeptoren, degranuliert Mastzellen und setzt Histamin frei. Nach initialer Schmerzauslösung folgt eine Phase der Anästhesie im Sinne einer Desensibilisierung.
Die Hydrodistension der Harnblase bringt meist nur vorübergehende Besserung, in ca. 8 % treten allerdings Blasenrupturen als Komplikation auf.
Die funktionelle Elektrostimulation ist mit der perkutanen Teststimulation vor Implantation einer Sakralforamenelektrode bei der IC ebenfalls wenig erfolgreich.
Für dietranskutane elektrische Nervenstimulation (TENS) konnte kein positiver Effekt nachgewiesen werden.
Operative Interventionen sind Sympathektomie oder sakrale Neurotomie.
Blasenresektion
Wenn alle erwähnten Therapien nicht erfolgreich sind, ist die Ultima Ratio die Resektion der Blase. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: Bei der orthotopen Blase erfolgt die Blasenresektion supratrigonal oder subtrigonal, wobei bei bis zu 20 % der Patienten die Schmerzsymptomatik durch die verbleibende Harnröhre bestehen bleibt. Bei diesen Patienten muss dann nachträglich die Harn röhre entfernt werden. Deshalb ist die subtrigonale Blasenrektion als besser einzustufen.
FAZIT
Die vielfältigen Therapieoptionen der interstitiellen Zystitis bzw. des Blasenschmerzsyndroms machen diese zu behandelbaren Erkrankungen, eine Heilung kann allerdings schwer erzielt werden.
In den chronisch rezidivierenden Fällen, in denen die konservative Therapie versagt, ist die operative Zystektomie/Blasenentfernung mit kutaner Harnableitung eine invasive, aber erfolgversprechende Option.